von BK-Christian | 25.08.2020 | eingestellt unter: Veranstaltungen

Chaoszwerge im Bibelmuseum

Heute gibt es was aus der Rubrik „Überschriften, die wir so irgendwie nie erwartet hätten.

Was es damit auf sich hat, erklärt unser Leser Lukas:

Gestern, am 25. August, ist die Sonderausstellung „<Wohlan lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen> Babel in der Bibel“ des Bibelmuseums der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster gestartet. Der Eintritt ist frei. Was das mit Warhammer und vor allem den Chaoszwergen zu tun hat, möchte ich euch hier versuchen, näher zu bringen.

Bild 1 BM Plakat Babel Bild 2 Bibelmuseum

Bildquelle: Bibelmuseum Münster
Blick in die Ausstellung, Bildquelle: Bibelmuseum Münster

In insgesamt sechs Themenbereichen widmet sich die Ausstellung der berühmten Geschichte aus Gen 11 1-9 um den Turm, der bis zum Himmel reichen sollte und dessen Bau am Ende in einer großen Sprachverwirrung endete. Die Ausstellung startet mit den archäologischen Ausgrabungen in Babylon und dem Heiligtum des Marduk, das wohl als Vorbild für die Geschichte des Turms gesehen werden muss. Im zweiten Themenbereich wird der Babel-Bibel-Streit thematisiert: Eine heftig geführte Auseinandersetzung zu Beginn des 20. Jahrhundert um die Frage, ob das Judentum von älteren mesopotamischen Religionen beeinflusst wurde. Danach wird in „Luther und Babylon“ die Verwendung von Babylon als theologischer Kampfbegriff zur Zeit der Reformation aufgegriffen. Daran anschließend gibt es einen Überblick über die Darstellung des Turms in der Kunst. Im fünften Themenbereich geht es um die populärkulturelle Rezeption der Geschichte des Turms zu Babel, während im letzten Themenbereich die Sprachverwirrung anhand von Bibeln in verschiedenen Sprachen aufgegriffen wird. (Eine genauere Vorstellung der Ausstellung und vor allem des Themenbereichs der populärkulturellen Rezeption findet ihr unter der Empfehlung des Monats auf Mittelalter.Digital: https://mittelalter.digital/)

Ich bin selbst als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Historische Theologie und ihre Didaktik an der Universität Münster tätig und promoviere zu Kirchengeschichtsdarstellung des Mittelalters in populärkulturellen Medien, wobei ich mich hier insbesondere auf Video- und Brettspiele konzentriere.

Als sich abzeichnete, dass das Bibelmuseum eine Ausstellung zu Babel in der Bibel plant, war mir klar, dass in dem Teil zur populärkulturellen Rezeption die „Alte Welt“ von Warhammer nicht fehlen darf.

Bild 3 Blick In Den Themenbereich

Bildquelle: Lukas Boch, Teil des Themenbereichs, moderne Rezeption

Die Alte Welt und Ihre Geschichte basiert unübersehbar auf Geschichtsstereotypen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit unserer eigenen Welt. Das fängt im Großen bei der Karte der Alten Welt an, geht über die einzelnen Fraktionen – hier sind vor allem das Imperium und die Bretonen zu nennen –, und endet bei einzelnen Figuren, Orten und Ereignissen. Man denke nur an den Sigmarpriester Luther Huss, dessen Name eindeutig an Martin Luther und den Vorreformator Jan Hus angelehnt ist.

Auch die frühen Hochkulturen des Zweistromlandes haben in Form der Chaoszwerge Eingang in die Alte Welt gefunden. (Ich beziehe mich hier vor allem auf die sogenannten Big Hats aus der 5. Edition von Warhammer). Den Mittelpunkt des Reichs der Chaoszwerge bildet der Stufentempel <Zharr-Naggrund>, der eine Anspielung auf den Etemenanki in Babylon zu sein scheint. Auch die geflochtenen Bärte der Chaoszwerge und deren Waffen sind eindeutig von denen des alten Assur inspiriert. Es geht sogar so weit, dass man den Lamassu, einen Schutzdämon in der Geisterwelt der Assyrier, mehr oder weniger eins zu eins mit dem bösartigen Lammasu kopiert hat. Anhand der Chaoszwerge kann man im Kontext der Ausstellung wunderbar zeigen, inwiefern moderne Fantasysettings selbstverständlich von Geschichtsbildern/Geschichtsstereotypen, die wir von vergangenen Epochen und Mythologien haben, beeinflusst werden. Dabei hat man im Bibelmuseum Münster die einzigartige Möglichkeit, die Parallelen zwischen der Vergangenheit und der Warhammerwelt an Originalstücken selbst nachzuvollziehen.

Ganz besonders hat es mich gefreut, ein Bild von John Blanche zu finden, das im Warmaster Regelbuch auf S. 10 abgedruckt wurde. Hier erhebt sich über dem epischen Kampf zwischen Hochelfen und Goblins ein Turm, der bei genauerer Betrachtung eindeutig eine sehr detaillierte Hommage von John Blanche an Pieter Bruegels Werk der kleine Turm zu Babel von 1563 ist. Bruegels Gemälde vom Turm zu Babel gehört sicherlich zu den einflussreichsten Darstellungen, die das Bild der Menschen von dem Turm aus der Bibel prägen. Die Kunst von Warhammer kann also auch Hochkultur.

Bild 4Pieter Bruegel The Elder The Tower Of Babel (Rotterdam) Google Art Project Edited Bild 5 John Blanche Tower Of Babel

Bildquelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Kleiner_Turmbau_zu_Babel#/media/Datei:Pieter_Bruegel_the_Elder_-_The_Tower_of_Babel_(Rotterdam)_-_Google_Art_Project_-_edited.jpg
Bildquelle: https://gothicpunk.tumblr.com/post/108973728840/note-the-homage-to-bruegels-the-little-tower-of

An dieser Stelle muss ich leider darauf hinweisen, dass sich GW sehr unkooperativ in Bezug auf die Ausstellung gezeigt hat. Am liebsten hätten wir im Katalog zu Ausstellung natürlich die Original Illustrationen von Blanche und Bilder des Lammasu abgedruckt. Die Rechtsabteilung von GW hat uns aber zu verstehen gegeben, dass man leider nur komplette Lizenzen für die Warhammerwelt verkaufen könne. Das Gute dabei ist, dass ich nach einem Aufruf in verschiedenen Foren im Internet die Erlaubnis des Künstlers Roberto Cuevas Guerro (instagram: @lanadaminiatures) erhalten habe, seine atemberaubende Version des Lammasus im Katalog abdrucken zu dürfen.

Bild 6 Katalog Bild 7 Simplicissimus

Bildquelle: LukasBoch
Bildquelle: AnnaFalke

Die Alte Welt von Warhammer ist ein Schmelztiegel von verschiedensten Geschichtsbildern mit teils unglaublich detaillierten Versatzstücken aus der Geschichtswissenschaft. Dabei ist auch zu untersuchen, inwiefern diesen Geschichtsbildern zum Teil negative Stereotypen transportieren. Im Beispiel der Chaoszwerge wird zum Beispiel das Bild der grausamen und verdorbenen Orientalen aufgenommen, das bereits seit der Antike existiert und unter anderem im Film 300 bedient wird. In diesem Kontext muss auch auf die markante Hakennase der Chaoszwerge hingewiesen werden, die Assoziationen zu antisemitischen Karikaturen des 19. und 20. Jahrhunderts zulassen. Dabei möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, dass es mir nicht darum geht, den Erfindern der Chaoszwerge Antisemitismus vorzuwerfen oder dass man die Darstellung der Chaoszwerge verbieten muss. Aber ich finde, dass es wichtig ist, zu reflektieren, woher bestimmte Bilder kommen.

Blick In Den Themenberich

Meiner Meinung nach würde es sich lohnen, Warhammer deutlich häufiger ins Museum zu bringen, und es würde mich freuen, den ein oder anderen von euch im Museum zu treffen.

Link: Bibelmuseum der Universität Münster


Wir sagen Danke für diesen interessanten Blick über den Tellerrand!

BK-Christian

Chefredakteur und Betreiber von Brückenkopf-Online. Seit 2002 im Hobby, erstes Tabletop Warhammer Fantasy (Dunkelelfen). Aktuelle Projekte: Primaris Space Marines, Summoners (alle Fraktionen), Deathmatch, Deadzone/Warpath (Asterianer und Enforcer), diverse Raumschiffe und allerlei Mechs.

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Kommentare

  • Vielen Dank für diesen Exkurs! Die Anleihen sind zwar kein Geheimnis aber sowohl die Reflektion ist lehrreich als auch informativ. Leider ist Münster zu weit für mich aktuell, aber schon die Zusammenfassung liest sich sehr interessant!

  • Danke für den Beitrag. Die Alte Welt ist ein super Beispiel bzw. Anschauungsmaterial für Geschichts- und Mythen-Rezeption (und -Remix), aus denen dann etwas eigenständiges wird, das trotz aller erkennbaren Versatzstücke auch seinen ganz eigenen Stil und Flair entwickelt.

  • Nice! Das Regelbuch musste ich mir damals telefonisch aus England bestellen. Hashut sei Dank fuer das Internet heutzutage.

  • Vielen Dank für diesen tollen Beitrag, ist super interessant. Leider ist das nicht in meiner Nähe… 😬

  • Vielen Dank auch von einem weiteren Frühaufsteher! Sehr interessant und gut geschrieben. Habe den Babelturm auf dem alten Bild von Grom und dem Hochelf so nie bemerkt. Münster ist zwar erreichbar, aber ob ich es schaffe, weiß ich noch nicht. Kann man den Katalog bestellen?

  • Ich kann mich nur anschließen: Sehr interessant.
    Und nicht nur der Warhammer-Teil, sondern auch der Rest der Ausstellung klingt durchaus spannend.

    Allerdings erschreckend, dass GW für eine museale Einordnung da nicht entgegen kommender ist. Andere Hersteller dürften sich da eher freuen, Berücksichtigung zu finden.

    • GW leugnet seine Vergangenheit schon eine weile. Weil das schlecht für Urheberrechtsklagen ist.

      • Das liegt dieser Sache aber mal so gar nicht zu Grunde. Wer im Ausstellungswesen unterwegs ist, hat andauernd mit Unternehmen zu tun, die das für eine Lizensierung halten. GW hat sogar im Gegnteil einen sehr positiven Umgang mot der eigenen Geschichte. Sie unterhalten ein Firmenmuseum, legen historische Bücher neu auf, zuletzt Rogue Trader und Realms of Chaos, und bringen Artikel zur Firmengeschichte im WD. Ihre wirklich alte Geschichte, die sie kaum erwähnen, ist die aus der Zeit vor der Fusion mit Citadel.

      • Was mich wirklich gewundert hat war, dass man außschließlich die Lizenz für das gesamte Universum kaufen kann, das ist natürlich nicht zu bezahlen. Lizenzen für einzelnde Bilder hätt ich ja sogar gerne in kauf genommen.

  • Sehr spannend. Immer wieder interessant zu sehen welche Einflüsse und Inspirationsquellen die Erschaffung von Welten und Geschichten hat. Denn jeder Geschichtenerzähler und Künstler lässt sich bon irgendwo her inspirieren. Etwas woran sich vor allem sie eifersüchtigen Lizenzhüter und Verkäufer ab und zu erinnern sollten.

  • Das ist mal wirklich ein großartiger Beitrag.

    Es gibt da so unglaublich viele Sachen auf dennen Warhammer Fantasy und auch 40k basieren,
    da könnte man sicherlich schon eine eigene Ausstellung mehr als füllen.
    Wirklich schade, aber auch bei der Aktuellen GW-Politik zu erwarten, dass die an so etwas kein interesse haben.
    Hier muss man glaube ich wirklich den direkten Weg über die Künstler gehen.

    Gern mehr von solchen Beiträgen.

    • Hey Mascharius, vielen dank!

      Das wird sicherlich nicht das letzte mal gewesen sein, dass ich mich mit Warhammer im Museum auseinandergesetzt habe 😉

      Ich habe zum Beispiel John Blanche auch persönlich angeschrieben. Aber das Copyright für seine Werke liegen alle bei GW da gibt es keine Ghance :/

  • @ Lukas:
    John Blanche kommt ja von der klassischen Kunst (etliche seiner WH-Arbeiten beinhalten direkte Anlehnungen und selbst sein Stil lässt einige Wurzeln erkennen) & scheint auch ein rundum cooler Typ zu sein bezüglich Austausch und Kollaboration mit Interessierten. Er iat ja in der Blanchitsu-Szene selbst sehr aktiv. Der würde sicher auch mit Freude Infos und eigene Werke beisteuern.

    Im Übrigen könnte man da auch Kontakt mit Tammy Nicholls suchen (Bolg: tearsofenvy), die für GW im Lizenzsektor arbeitet, aber künstlerischen und Illustrationshintergrund hat und ganz eigene GW-Projekte ganz abseits von Aktuellem und Mainstream betreibt.

    @Thema:
    Ja, immer schön, wenn das Hobby nicht als Blase ohne Einbettung in die reale Welt gezeigt wird!
    Besonders auch der letzte, kritische Teil mit den abendländischen Morgenlandstereotypen.
    Persönlich hatte ich die Elemente nie wirklich als alte Orient-Vorurteile sondern einfach als verdrehte Zwerge-Interpretation des Saruman-Themas mit Babylon-Anstrich (historisch wie biblisch) gesehen. Natürlich lässt sich schon Saruman selbst als Fantasyverarbeitung des Babylon-Bildes unheiliger Industrie lesen.

    • Hey Raest, vielen dank für den Hinweis mit Tammy Nicholls!

      Wenn es nach Blanche allein gehen würde, wäre das sicherlich überhaupt kein Problem gewesen, er wirkte wirklich sehr nett und interessiert das ganze Thema Mordheim und der Bezug zu Bosch bzw. den flämischen Künstlern usw. wäre auch nochmal super spanned!

      und freut mcih, dass der dir kleine Beitrag gefällt!

      Viele Grüße

  • Ein ganz wundervoller Beitrag. Herzlichen Dank für die Darstellung und die Hinter der Ausstellung und dem Artikel liegende Arbeit.

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